Danke, Dora!

Die Initiative

Begonnen hat es mit einer gemeinsamen Arbeitsgruppe bestehend aus Vertreter*innen des VEPPÖ (Verein evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer Österreichs) und der ARGE (Arbeitsgemeinschaft) Theologinnen, die zu Ostern 2022 ein „Manifest zur Geschlechtergerechtigkeit und Diversität in der Evangelischen Kirche in Österreich“ veröffentlicht haben. Mit der Widmung „Danke, Dora!“ sollte an Dr.in Dora Winkler-Herrmann erinnert werden, der ersten ordinierten Frau in Österreich, die jedoch nach drei Jahren gezwungen wurde ihr Amt niederzulegen. Ihre Geschichte steht symbolisch für all jene Frauen, deren Arbeit nicht mit dem nötigen Dank, der angemessenen Position und der würdigen Entlohnung honoriert wurde und wird.

Pressemitteilung vom 17. April 2022 (PDF, 112kB)

Logo der Erprobungsräume

Der Erprobungsraum

Der Impuls dieses Manifests wirkt nunmehr seit Herbst 2022 in einem Erprobungsraum der Initiative „Aus dem Evangelium leben“ weiter. Gemeinsam mit mehreren Ansprechpersonen werden bis zum Herbst 2025 Ideen, Projekte und Materialien entwickelt, die im Rahmen des Schulunterrichts, des Konfirmand*innen-Kurses, der Erwachsenen- und Gemeindepädagogik zur Auseinandersetzung mit Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche und der Gesellschaft anregen und diese durch pädagogische Maßnahmen fördern. Ziel ist es vor Ort – in Schulen, Jugend- und Konfigruppen, den Gemeinden und ihren Gremien – die Aufmerksamkeit für herrschende Ungerechtigkeiten und Vorurteile zu schärfen, um Diversität in unserer Kirche neu zu ermöglichen.

Dora Herrmann

Dora Winkler-Herrmann (1910–1983) – Avantgardistin im Pfarramt

Dora Herrmann, geboren und aufgewachsen in Wien, begann 1929 das Studium der Germanistik und der Evangelischen Theologie an der Universität Wien. Für letzteres waren Frauen überhaupt erst 1927 zugelassen worden. Die einzig mögliche Berufsaussicht für Frauen mit Theologiestudium bestand im Gymnasialunterricht, ein Beruf, den sie nach ihrem Studienende ergriff. Parallel begann sie eine Dissertation zur „Religion und Philosophie bei Rainer Maria Rilke“, die sie 1937 abschloss und somit die erste Frau war, der in Österreich der Titel „Doktor der Theologie“ verliehen wurde. Obwohl ihr der Weg in das Pfarramt versperrt war, bestand sie 1939 mit Einverständnis der Kirchenleitung das „Examen pro ministerio“.

Der 2. Weltkrieg und ein daraus entstehender Mangel an Pfarrern veranlasste die evangelische Kirchenleitung 1942 den wenigen ausgebildeten Theologinnen, die es gab, „im Falle besonderer Notstände“ die Erlaubnis zur Predigt „für Gottesdienste in schlichter Form“ zu erteilen. So wurde es möglich, dass Dora Herrmann im Dezember 1944 im Alter von 34 Jahren ihren Beruf als Lehrerin niederlegte, Wien verließ und durch den Oberkirchenrat der Gemeinde Innsbruck zugeteilt wurde. Für diese übernahm sie als Vikarin die Gemeinden in Kufstein und Kitzbühel. Der Innsbrucker Pfarrer Liebenwein begleitete ihre Einführung in Kufstein, einer Gemeinde, der er in einem Brief an den Oberkirchenrat „ein ausgesprochen konservatives Gepräge“ zuschrieb, aber zum selben Zeitpunkt davon ausging, dass Dora Hermann „das Vertrauen und die Zuneigung der Gemeindeglieder gewinnen wird“ (AEvKIbk, Ordner Dienstkorresp. OKR). Dies gelang ihr, und für zweieinhalb Jahre übernahm sie Gottesdienste sowie Seelsorge und betreute ein großes Gemeindegebiet, das neben Kufstein und Kitzbühel auch den gesamten Osten Tirols umfasste, während ihr Wohnort in Vorderthiersee nicht einmal über eine Busverbindung verfügte.

Ihre Tätigkeit war jedoch langfristig nicht rechtlich abgesichert. Vielleicht aus diesem Grund entstand die Entscheidung des damaligen Superintendenten Wilhelm Mensing-Braun, Dora Herrmann am 2. Dezember 1945 in Kufstein als erste Frau in Österreich zur Pfarrerin zu ordinieren. Von der Kirchenleitung wurde diese Handlung nicht anerkannt, es erfolgte keine offizielle Beauftragung auf eine Pfarrstelle. 1946 wurde der genannte Erlass aufgehoben, und mit Anfang 1947 war Dora Herrmann die weitere Ausübung ihrer geistlichen Tätigkeiten offiziell versagt, auch der Predigtdienst wurde ihr entzogen.

Sie blieb in Tirol, unterrichtete in den folgenden Jahren in Bayern an mehreren Schulen und heiratete Sebastian Winkler, einen lokalen kaufmännischen Angestellten. Ihre Ehe machte es jedoch unmöglich, nach 1965 in den Pfarrdienst zurückzukehren, als die Evangelische Kirche Österreichs die Frauenordination unter Einschränkung eines „weiblichen Zölibats“ eingeführt hatte. Dora Winkler-Herrmanns Ordination wurde 1966 dennoch rückwirkend anerkannt, und sie vertrat in der Folge bis zu ihrem Lebensende Pfarrer*innen in unterschiedlichen Tiroler Gemeinden, übernahm Gottesdienste und Predigten. Kurz vor ihrem Tod erlebte sie den letzten Schritt der evangelischen Kirchen Österreichs zur Gleichstellung von Frauen im Pfarramt, als die Generalsynode 1982 beschloss, auch verheiratete Frauen zu ordinieren und ordinierte unverheiratete Frauen bei Eheschließung nicht länger zu entlassen. Sie verstarb am 12. September 1983 in Tirol.

Die Biographie von Dora Winkler-Herrmann und die wenigen Quellen, die es hinterließ, machen sichtbar, weshalb sie und die anderen ersten Theologinnen Österreichs immer wieder als „Avantgardistinnen“ beschrieben werden: Sie waren wenige, und sie arbeiteten in einem gesellschaftlichen Klima, das die Tätigkeit voll ausgebildeter Frauen als Pfarrerinnen nur in einer Notlage zu akzeptieren bereit war. Und dennoch hielt auch Dora Herrmann an dem Glauben fest, dass es gerade die konkrete Erfahrung von und mit Frauen in diesen Positionen braucht, um solche Barrikaden abzubauen. Den Ausschluss von Frauen aus dem Pfarramt selbst empfand sie als „eine wohl – gelinde gesagt – ängstliche Engstirnigkeit“ (Wiener Kurier, 30. September 1948, 6).

Verantwortliche

  • Iris Haidvogel

    Projektleitung und Obfrau VEPPÖ

    iris.haidvogel@evang.at
  • Milena Heussler

    Projektkoordinatorin und evangelische Fachtheologin

    milena@dankedora.at
  • Melanie Binder

    Religionslehrerin sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin und Ansprechperson am Institut für Religionspädagogik der Evangelisch-Theologischen Fakultät Wien

    melanie.binder@univie.ac.at
  • Karoline Rumpler

    Evangelische Pfarrerin in Wiener Neustadt und Ansprechperson für Fragen aus dem Pfarramt

    karoline.rumpler@evang.at